Nein, Gott ist nicht SO anders als wir

«Wenn ihr wisst, dass er gerecht ist, könnt ihr sicher sein, dass jeder, der Gerechtigkeit übt, aus ihm geboren ist.» (1. Johannes 2:28)

Die Gerechtigkeit, die jemand praktiziert, der aus Gott geboren ist, ähnelt der Gerechtigkeit Gottes, und zwar so, dass das Wissen um Gottes Gerechtigkeit die Gewissheit gibt, dass, wann immer man sie (von einem Menschen) praktiziert sieht, dieser Mensch in dieser entscheidenden Hinsicht Gott ähnelt.

Wenn man sich Gott näher (sowohl intellektuell als auch existentiell) gibt es zwei gefährliche Extreme: ihn zu sehr wie uns selbst zu denken, und ihn zu unterschiedlich von uns zu denken. Über das erste Extrem ist schon viel Tinte vergossen worden.

Ich habe den Eindruck, dass man dazu neigt, nur dieses Extrem als Problem zu betrachten und das andere als modisch, tugendhaft und sogar besonders spirituell.

Aber die Heilige Schrift gibt uns ein anderes Bild. Der obige Vers ist besonders deutlich. Wie könnten wir eine Gerechtigkeit praktizieren, die derjenigen Gottes wirklich ähnelt, wenn Gott sich radikal von uns unterscheidet? Oder zumindest radikal anders in moralischer Hinsicht?

C.S. Lewis gibt uns einen weiteren starken Grund für dieselbe Schlussfolgerung:

Wenn sich andererseits Gottes moralisches Urteil von dem unseren unterscheidet, so dass unser «Schwarz» sein «Weiß» sein kann, sagen wir eigentlich gar nichts aus, wenn wir ihn als gut bezeichnen; denn zu sagen «Gott ist gut», während man behauptet, dass seine Güte völlig anders ist als die unsere, bedeutet in Wirklichkeit nur zu sagen «Gott ist, was wir nicht wissen». Und eine völlig unbekannte Eigenschaft Gottes kann uns keinen moralischen Grund geben, ihn zu lieben oder ihm zu gehorchen. Wenn er nicht (in unserem Sinne) «gut» ist, werden wir ihm, wenn überhaupt, nur aus Furcht gehorchen – und könnten genauso gut einem allmächtigen Unhold gehorchen.

(Das Problem des Schmerzes, Harper One 2001, S. 28-9; hier meine Übersetzung aus dem Englischen)

Wenn Gott ganz anders ist als wir, könnte es sogar sein, dass sich seine moralischen Urteile auch radikal von den unseren unterscheiden; sie könnten sogar das genaue Gegenteil sein. Wir hätten keine erkenntnistheoretische Rechtfertigung, Gottes moralischen Charakter zu erfassen, indem wir auf unsere eigenen Intuitionen schauen.

Aber zum Glück haben wir Gründe, unsere moralische Erkenntnis von Gott als im Großen und Ganzen zuverlässig einzustufen. Und zwar nicht nur im intellektuellen Sinne. Der erste Brief des Johannes ist kein philosophisches, sondern ein pastorales Werk. Er soll uns beruhigen, ermutigen und trösten. Und es ist beruhigend, dass unsere moralische Intuition für das Gute ein zuverlässiger Indikator für Gottes Güte ist.


Titelbild: Bonnie Kittle / unsplash.com

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