Im Dialog Charmides führen Sokrates und Kritias ein interessantes Gespräch über das Wechselspiel zwischen Wissen und moralischem Wissen.
Ich wage zu behaupten, dass wir daraus etwas lernen können.
Sokrates und Kritias hatten bereits darüber diskutiert, was vollkommenes Wissen in verschiedenen Bereichen (Medizin, Prophetie…) bewirken würde, als Sokrates einräumt:
"Ich stimme zu, dass die Menschheit, wenn sie so ausgestattet wäre, einzig nach Wissen leben und handeln würde, denn die Weisheit würde wachen und verhindern, dass die Unwissenheit unter uns einfällt."1
Und weiter:
"Aber ob wir, wenn wir einzig nach Wissen handeln, gut handeln und glücklich sein werden, mein lieber Kritias, das ist ein Punkt, den wir noch nicht zu bestimmen vermochten."
Kritias erwidert, dass das Wissen eine gewisse Rolle für das glückliche Leben spielen muss. Daraufhin fragt Sokrates: «Wissen worüber?» Alle Bereiche, die Sokrates aufzählt, fallen aus – und Kritias gesteht schliesslich, dass er die ganze Zeit an das Wissen über Gut und Böse gedacht hat. Ist dies identisch mit dem Wissen auf einem Gebiet oder gar auf allen Gebieten zusammen? Sokrates beharrt darauf, dass sich das Wissen in bestimmten Bereichen vom Wissen um Gut und Böse unterscheidet:
"Denn ich frage dich, Kritias, ob, wenn du dies wegnimmst, die Medizin nicht ebenso gesund macht, und die Schuhmacherei ebenso Schuhe herstellt, und die Kunst des Webers Kleidung?- ob die Kunst des Lotsen nicht ebenso unser Leben auf See rettet, und die Kunst des Generals im Krieg? KRITIAS: Ganz recht. SOKRATES: Und doch, mein lieber Kritias, wird nichts von diesen Dingen gut und nützlich sein, wenn die Wissenschaft des Guten fehlt. KRITIAS: Wahr."
Und so ist, wenn Sokrates Recht hat, unter anderem ein perfektes Gesundheitsmanagement wertlos, wenn es keine Erkenntnis des Guten gibt.
1 Meine Übersetzung aus der englischen Ausgabe von Benjamin Jowett.
Bild von © Bar Harel, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons