Gute Absicht macht noch kein gutes Buch

Buchrezension „Die Ewigkeit im Herzen“

Eigentlich ist dieses Buch keiner Rezension wert. Warum schreibe ich dennoch eine? Zum einen ist das Verfassen dieser Zeilen mein persönlicher Versuch, konstruktiv das zu verarbeiten, was dieses Buch in mir ausgelöst hat. Zum anderen sehe ich in diesem Buch – wie in bestimmt zahllosen anderen evangelikalen Büchern – genau jenen Anti-Intellektualismus widergespiegelt, der die evangelikale Welt seit 200 Jahren schwächt, und so wird die Kritik an „Die Ewigkeit im Herzen“ zur exemplarischen Kritik an der intellektuell atrophierten Literatur, die evangelikale Buchläden füllt.

Beveres Buch ist nicht nur in Wortwahl und Stil grobschlächtig, sondern auch theologisch schlampig; wenn es um nichtbiblisches Wissen geht, wird Bevere teilweise abstrus. Was dem Buch intellektuell mangelt, das macht es mit deftiger Rhetorik und zum Teil kitschigen emotionalen Appellen wieder „wett“. Unterm Strich ist dies ein Werk, das nicht nur ein durchaus zentrales Thema für die Lebensausrichtung von Christen anspricht, sondern dem weisen Leser sogar einige gute Impulse mitgeben kann – jedoch nur, wenn der Leser bereit ist, die biblische Aufforderung „Prüfet alles, das Gute aber behaltet“ (1 Thes 5,21) zur persönlichen tough mudder[1] Challenge zu machen.

Kurzabriss

Bevere hat es sich zum Ziel gemacht, den Leser zu ermutigen so zu leben, dass sein Leben „jetzt und in der Ewigkeit zählt“, wie der Untertitel der deutschen Ausgabe sagt. Dazu verwendet er eine Mischung aus Allegorie und predigtartiger Bibelauslegung. Mit „Ewigkeit“ ist das ewige Schicksal von Menschen gemeint – Himmel oder Hölle, sowie für die künftigen Himmelsbewohner der Lohn, den sie von Christus empfangen. Nach einer kurzen Abhandlung des Begriffs „Ewigkeit“ (Kap. 1) wendet sich Bevere einer von ihm eigens ausgedachten Allegorie über das Königreich Affabel (welches den Himmel, oder präziser die neue Schöpfung repräsentiert) zu (Kap. 2 + 3). Dieser erste Teil der Allegorie soll verdeutlichen, dass so mancher, der sich für einen Christen und somit in Gottes Gunst wähnt, ein böses Erwachen erleben wird – und zwar in der Hölle. Bevere beschreibt das Leben vierer Charaktere, „Liebe“, „Doppelleben“, „Zaghaft“ und „Selbstsüchtig“. Sie alle starten ihr Leben in Endel, welches allegorisch für die Erde steht. Am Ende ihrer Zeit dort, welche den Charakter einer praktischen Prüfung hat, werden alle zur Beurteilung vor den Thron Jalyns, der für Christus steht, geführt. Zwei von ihnen gehen (mit unterschiedlichem Lohn) in die Herrlichkeit ein, die anderen landen in der ewigen Finsternis.

Es folgen eine theologische Aufarbeitung der Allegorie (Kap. 4-7) sowie deren zweiter Teil (Kap. 8). Dort geht es um den Richterstuhl Christi und die unterschiedliche Bewertung der Leben von „Liebe“ und „Selbstsüchtig“. Wiederum hängt Bevere eine theologische Erklärung, verbunden mit Appellen zur richtigen Lebensführung, an (Kap. 10-13).

Ein paar Lichtblicke…

Ich möchte zunächst einmal unterscheiden zwischen dem, was das Buch geistlich im Leser auszulösen vermag, und seinem intellektuellen Wert. Auf der geistlichen Ebene hat Beveres Buch bei mir durchaus positive Impulse setzen können, allein dadurch, dass es die Bedeutung unser irdischen Lebensführung für unser ewiges Schicksal recht grafisch vor Augen malt. Ich nehme an (und aus meinem Männer-Buchclub haben mir dies fast alle bestätigt), dass es vielen anderen Lesern auch so geht.

Ein paar intellektuelle Lichtblicke hat das Buch auch zu bieten. So ist Beveres Diskussion des Begriffs „Ewigkeit“ gar nicht mal so schlecht (S. 15-20). Auch die Allegorie von Endel und Affabel ist als Gesamtkonstrukt gut. Besonders angemessen erschien mir die Beschreibung der Bewohner von Affabel (Kap. 3) – hier musste ich spontan an C.S. Lewis‘ The Great Divorce denken. Immer wieder streut Bevere unerwarteten theologischen Scharfsinn ein, so z.B. in Form seiner Bemerkung, die Geschichte von Lazarus und dem Reichen in Lukas 16,19ff. sei kein Gleichnis (ich sage das schon seit Jahren!). Oder sein Insistieren auf der Disjunktion zwischen „Gottesfurcht“ und „Menschenfurcht“ (Kap. 7), oder seine Erklärung, unser Leben solle „erfolgreich verlaufen, aber gemäß den Maßstäben des Himmels, nicht denen unserer Kultur“ (173). Oder seine Unterscheidung zwischen einer Geisteshaltung und ihren Ausdrucksformen (299). Und generell macht er ein paar gute Punkte zum Thema persönliche Berufung, die man so auch nicht oft in Predigten hört – z.B. dass es eine konkrete individuelle Berufung für jeden Christen gibt und ihr Verfehlen Konsequenzen nach sich zieht. Beveres kurze Autobiographie unterstreicht seine Philosophie der Berufung, gemäß der es sehr wohl eine distinkte Rolle gibt, die wir in Gottes Plan spielen sollen (z.B. Pastor oder Unternehmer).

In einem Punkt scheint er sich der Implikationen der Position, die er vertritt – nämlich dass es neben den Bewohnern des Neuen Jerusalems auch andere Menschen, die „Nationen“, in der neuen Schöpfung geben wird – gar nicht bewusst zu sein. Zum einen ist diese Position alles andere als Standard in evangelikalen Kreisen (wiewohl ich sie aufgrund des klaren Schriftzeugnisses für richtig halte), zum anderen steht sie zumindest in Spannung zu anderen von ihm gemachten Behauptungen.

…und ganz viel Stoff zum Gesicht-in-den-Händen-Verbergen.

John Bevere legt generell wenig Wert auf Genauigkeit und saubere Argumentation – manche Behauptungen sind sogar so eklatant falsch, dass man sich fragt, ob das Buch jemals lektoriert wurde. Meistens aber ist es die Oberflächlichkeit der Argumentation, verbunden mit einer unangemessenen Verwendung von Begriffen, die das Lesen des Buches zur Geduldsprobe macht.

Ein paar Beispiele, gleich in Kap. 1. Die auf S. 15 verwendete Bibelübertragung (The Living Bible) ist dermaßen frei, dass man sich fragt, ob der Sinn überhaupt noch richtig wiedergegeben wird: „Niemand kann auch nur erahnen, was die Ewigkeit ist.“ Zum Vergleich: die wortgetreue Elberfelder Bibel übersetzt mit „die Zahl seiner [Gottes] Jahre, sie ist unerforschlich“. Auf S. 21 schreibt Bevere, es sei „erschreckend, wenn man die zeitlichen Dinge dieser Welt für ewige Wahrheiten hält“. Nun, erstens sind Dinge keine Wahrheiten (Wahrheiten sind Aussagen über Dinge, also können die beiden nicht identisch sein), und zweitens wirkt das Attribut „erschreckend“ völlig überzogen. Wer schreibt denn den zeitlichen Dingen in einem strikten Sinn ewige Gültigkeit zu? Natürlich vergessen wir oft, sie im Lichte der Ewigkeit zu sehen, aber das ist ein universales menschliches Problem. Nicht schön, aber auch kein Grund zur Empörung.

Oder nehmen wir seine Diskussion des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen (24). Zunächst einmal sind die Dimensionen von Zeitlichkeit und Ewigkeit gar nicht im Brennpunkt des Genesis-Berichts; man fragt sich also, warum er hier überhaupt Erwähnung findet. Dann verwickelt Bevere sich in einen Widerspruch: Zum einen behauptet er, der Baum habe tatsächlich etwas Gutes an sich gehabt, dann aber wiederum, dass Eva einer Täuschung unterlag, als sie etwas Gutes in ihm sah. Und schließlich macht er die Verwirrung vollkommen, indem er auch noch gesellschaftliche Werte einbindet als etwas, an dem sich Christen nicht orientieren sollten. Wie das alles in Bezug zum Thema „Ewigkeit“ steht, bleibt unklar.

Dieser Stil zieht sich durch das ganze Buch, schwingt sich aber gelegentlich sogar zu veritablen Falschaussagen auf. So ist z.B. seine Behauptung, die Begriffe „Scheol“, „Hades“ und „Grab“ bezeichneten alle die Hölle, schlicht unhaltbar. Seine Ausführungen über die „Verführten“ in Kap. 5 leiden zunächst einmal unter der unverständlichen Gleichsetzung von „Verführten“ mit „Hochstaplern“ und „Betrügern“ (113). Offensichtlich führen die Letzteren ihre Machenschaften mit voller Absicht aus, während Erstere, gemäß dem Wortsinn von „verführt“, sich der Schlechtigkeit ihrer Handlungen nur teilweise bewusst sind. Und das ist kein einzelner Ausrutscher seitens Bevere: So zitiert er den Judasbrief, der Verführer in Gemeinden beschreibt, nicht aber Verführte (115), und macht die Strafe für die Verführten genauso hart wie für die Verführer. Das widerspricht jeglichem Gerechtigkeitssinn und wohl auch Gottes Gerichtskriterien.

Noch mehr theologische Patzer gefällig? Bitte: Sein Erleben in einem malaysischen Gottesdienst (als die Atmosphäre so heilig war, dass er Angst hatte, etwas Falsches zusagen) sei analog zur Episode von Ananias und Saphira in Apg 5 (welche gelogen hatten) (164); man könne Jesus lieben und trotzdem von ihm abfallen (166); oder wie wäre es mit der kategorischen Behauptung, der Zehnte müsse immer in die Ortsgemeinde fließen, und „Opfer“ seien immer darüber hinaus gehende Abgaben (285)? Man kann diese Position vertreten, nicht aber ihr universale Geltung zumessen.

Noch hanebüchener wird es, wenn Bevere Behauptungen außerhalb der Theologie macht. Der im Koma liegende Junge habe einen IQ von 0,01 gehabt (207) – wer hat den IQ gemessen wo IQ-Test möglich war? Und warum gerade diese Zahl?; Gold in seiner reinsten Form sei durchsichtig (208) – nein, ist es nicht. Es ist…golden. Oder: die Christenheit sei in ihren ersten Jahren exponentiell gewachsen (254). Hat Bevere sein gesamtes Ingenieursstudium vergessen? Exponentielles Wachstum bedeutet Verdopplung mit jedem Wachstumsschritt, wobei die Wachstumsschritte durch fixe Intervalle getrennt sind. Nehmen wir als Startanzahl einen einzigen Gläubigen (und wir wissen, dass es bereits am Anfang viel mehr waren) und ein Verdopplungsintervall von einem Jahr. Innerhalb der ersten 50 Jahre wären aus dieser einen Person 1,13 Billiarden Gläubige geworden! Setzt man nur 30 Jahre an, sind es immer noch über eine Milliarde Menschen – mehr als die gesamte Weltbevölkerung von damals. Bevere wollte wahrscheinlich sagen, das Wachstum sei enorm gewesen. Aber „exponentiell“ ist nun mal ein feststehender Begriff.

Kaum glaubhaft ist seine Behauptung, dass 150 Verbrecher, 100 Alkoholiker und zig Prostituierte den Staat „1,5 Millionen Dollar“ gekostet haben – dazu reicht wahrscheinlich schon eines dieses Subjekte. Vielleicht ist es auch die Schuld des deutschen Verlags, dass man hier um den Faktor tausend verrutscht ist (und „billion“ mit „Million“ übersetzt hat…) – Bevere ist es jedoch anzukreiden, dass er nicht sieht, dass die vielen erfolgreichen Nachkommen des gottesfürchtigen Mannes nicht nur „den Staat keinen Penny“ gekostet haben, sondern sogar Wert in der Größenordnung des Verlustes der „Fluchlinie“ geschaffen haben.

Ich könnte noch weitermachen, belasse es aber hierbei. Was will man erwarten von einem Autor, der in an Täuschung grenzender Einfältigkeit behauptet, er sei ohne Denominationszugehörigkeit einfach „nur Christ“ (154), der die Nahtoderfahrung eines kleinen Jungen als fast bibelgleiche Autorität nimmt (Kap. 9), auffallend oft Visionen zitiert und uns erzählt, er habe viele Jahre gebraucht zu realisieren, dass der junge Reiche in den Evangelien nicht „in topaktuellen Designer-Gewändern, umgeben von seinen zahlreichen Dienern aus seiner hochmodernen Luxuskarosse ausstieg“ (169)?

Zum Schluss möchte ich mich noch einmal seiner Allegorie, sicherlich das Herzstück seines Buches, zuwenden. Generell sind die Parallelen zur Wirklichkeit sehr offensichtlich – fast schon so offensichtlich, dass die Allegorie von der Realität nur noch durch das dünne Feigenblatt von Pseudonymen getrennt ist. Was aber wirklich aufstößt, ist die hölzerne Art, mit der der ach so herrliche Jalyn richtet (z.B. S. 56). Höhepunkt der unnötigen Härte: „Deine Güte und deine gerechten Taten sind vergessen und werden dir nicht angerechnet.“ (69) Überhaupt hat Bevere ein seltsames Verständnis von Gerechtigkeit; ein eklatantes Beispiel haben wir schon angesprochen, seine Ausführungen sowohl über das Gericht über die Verlorenen als auch über den Richterstuhl Christi verdeutlichen dies weiter. Warum verliert ein Gläubiger alles, wenn er die falsche Berufung ergreift (244)? Was ist mit Charakter- und Tugendentwicklung? Und warum wird „Zaghaft“ aufgrund ihrer mangelnden Vergebungsbereitschaft in die Hölle geschickt, während „Selbstsüchtig“, scheinbar nur aufgrund seiner späten Kompensationszahlungen, in den Himmel kommt (179)? Gerade hier müsste Bevere überzeugen. Tut er aber nicht, und wie kann er auch, mit solch schlampiger theologischer und im weiteren Sinne intellektueller Grundlage? Gerne würde man – ich – einem Autor grundsätzlich so vertrauen, dass man nicht auf jeder Seite in Habacht-Stellung gehen muss. Bei Bevere war dies leider nicht möglich. Ständig musste ich prüfen, was vom Gesagten richtig, oder sinnvoll, oder brauchbar ist. Das macht das Lesen anstrengend.

Und so klebt an diesem Buch der fade Beigeschmack der Manipulation: emotionale Appelle statt Argumentation; Angstmache durch Aufbau von Schreckensszenarien statt sauberer Bibelauslegung. Ich persönlich nehme den Impuls mit, mein Leben bewusst im Lichte der Ewigkeit zu reorganisieren. Das dafür notwendige intellektuelle Haareraufen war groß.

John Bevere, Die Ewigkeit im Herzen, deutsche Übersetzung Adullam Verlag Grasbrunn, 2008


[1] „Tough mudder“ ist eine weltweite Serie von Crossläufen, bei denen es durch verschiedenste Hindernisse geht, u.a. Matsch, Flüsse, Eisbäder und Elektrozäune.

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