In Star Wars heisst es, die Macht sei ein Energiefeld, das alle Dinge durchdringt und von ihnen erzeugt wird[1]. Die Formulierung ist eindeutig dazu gedacht, ein unpersönliches Ding zu beschreiben.
So «kanonisch» diese Lesart der Macht sein mag, so sehr kollidiert sie mit einigen anderen Dingen, die in den Star Wars Produktionen über sie gesagt werden.
Zunächst einmal gibt es Indizien gegen die impersonale Lesart der Macht. Zum Beispiel wird Episode VII Das Erwachen der Macht genannt. Natürlich können nur Wesen mit Bewusstsein erwachen. Man könnte entgegnen, dass das «Erwachen» der Macht nur eine Metapher ist und dass man nicht zu viel hineinlesen sollte. Ich stimme zu, dass es eine Metapher ist, denn was auch immer es ist, die Macht ist sicherlich kein gewöhnliches physisches Ding, das buchstäblich einschlafen und wieder erwachen kann. Aber eine Metapher ist eine Metapher für etwas; sie vermittelt in physischen Begriffen unsichtbare, abstrakte oder spirituelle Wahrheiten. Angenommen, ein junger Mann sagt über ein Mädchen «Ihre Augen sind Diamanten». Er meint natürlich nicht, dass ihre Augen buchstäblich Diamanten sind, aber er meint sehr wohl etwas, das mit Diamanten zu tun hat: zum Beispiel, dass ihre Augen wie Diamanten funkeln. So muss das «Erwachen» der Macht, auch wenn es metaphorisch ist, eine gewisse Ähnlichkeit mit buchstäblichem Erwachen haben.
Nun mögen sich die Filmemacher nicht um die richtige Verwendung von Metaphern scheren; sie haben den Titel vielleicht nur wegen seines schönen Klangs gewählt. Aber der Film verkörpert in der Figur des Finn ungefähr das, was man vom «Erwachen» eines spirituellen, transzendenten Wesens erwarten würde. Stormtrooper Finn – völlig unbedarft in Sachen Jedi-Ausbildung und ohne Anzeichen für eine vorherige Machtsensitivität – erwacht plötzlich aus dem Alptraum, in den ihn die Erste Ordnung hineingezogen hatte, weigert sich, unschuldige Dorfbewohner zu töten und desertiert aus seiner Armee. Er zeigt auch Fähigkeiten, die sonst nur bei Jedi (oder machtsensitiven Wesen) zu finden sind, wie das Spüren der Anwesenheit einer anderen Person. Finns Erwachen wird plausibel als das Ergebnis des «Erwachens» von etwas Grösserem gelesen, das ihn in sich hineinzieht.
Ein weiterer Hinweis auf menschenähnliche Züge in der Macht ist die berühmte Formel «Möge die Macht mit dir sein» – die an das christliche «Möge Gott/Christus mit dir sein» erinnert. Aber wenn die Macht «mit» jemandem sein soll, so wie Christus mit Menschen ist, dann muss Ersteres genauso eine Person sein wie Letzteres. Oder was würdest du über jemanden denken, der dich mit den Worten «Möge die Gravitation mit dir sein» verabschiedet?
Schliesslich und endlich suchen verschiedene Menschen in den Star Wars-Erzählungen Leitung durch die Macht. Nein, ich meine nicht die Jedi, die die Macht durch Meditation nutzen, um den Aufenthaltsort von Kindern herauszufinden, die von Entführung bedroht sind[2], sondern tatsächliche Leitung, wie die Leitung, von der Christen glauben, dass Gott sie ihnen gibt, wenn sie darum bitten. Man ist fast versucht zu vermuten, dass die Macht besser Gott sein sollte – wenn nicht der jüdisch-christliche, dann zumindest wie der «Erste Beweger» von Aristoteles oder das «Eine» von Plotin.
Die andere Säule, auf der mein Argument ruht, weist nicht so sehr auf eine vorgeschlagene alternative Lesart hin, sondern auf eine direkte Inkohärenz. Von der Macht wird bekanntlich gesagt, dass sie eine «dunkle Seite» hat (interessanterweise wird der Begriff «helle Seite» kaum je verwendet, obwohl er klar angedeutet wird – am besten verkörpert durch die Tochter auf Mortis[3]). Aber einer unpersönlichen Kraft moralische oder spirituelle Dunkelheit zuzuschreiben, ist Unsinn. Wir würden zu Recht die Hände vors Gesicht schlagen, wenn jemand behauptete, dass er «dunkle» oder «helle» Seite in der Gravitation oder im Elektromagnetismus entdeckt habe! Die einzig sinnvolle Art und Weise, den Begriff «dunkel» (im relevanten Sinne) anzuwenden, ist auf den Charakter von Personen. Und genau das erleben wir im gesamten Star Wars-Universum: Das Dunkle an Palpatine ist seine hemmungslose Gier nach Macht; das Helle an Ahsoka Tano ist ihr Mut, ihr Mitgefühl und ihre Treue.
Und lass dich nicht von den unterschiedlichen Machtmanifestationen täuschen, die die Sith bzw. Jedi verwenden. Die Blitze der Sith unterscheiden sich, was ihren intrinsischen moralischen Wert angeht, von den Machtstössen der Jedi genauso viel oder wenig wie sich der Einsatz von Giftgas von der Verwendung von Artillerie in der Kriegsführung unterscheidet. Gute Krieger lehnen bestimmte Waffen ab; aber sie tun es deswegen, weil sie gut sind, und nicht weil die Waffen in sich moralisch schlecht sind[4].
[1] Eine weitere Unterscheidung zwischen der «Lebendigen Macht» und der «Kosmischen Macht» wird in Episode 12 von Staffel 6 der Serie Clone Wars getroffen. Das Kraftfeld, das von allen Lebewesen umspannt wird, scheint die erstere zu sein.
[2] Episode 3, Staffel 2 der Clone Wars
[3] Clone Wars, Staffel 3, Episoden 15-17
[4] Das mag zunächst nicht einleuchten. Giftgas tötet viel grausamer als eine Artilleriegranate, und Machtblitze scheinen viel schmerzhafter als Machtstösse zu sein. Tatsächlich würden mir sogar eine ganze Reihe professioneller Philosophen widersprechen (z.B. Frank Jackson). Eine vermutlich jedoch noch grössere Zahl würde mir jedoch darin zustimmen, dass aus der reinen Beschreibung einer Sache – hier, den Wirkungen einer Waffe – kein moralisches Urteil folgt. Was wir brauchen, sind rein moralische Prinzipien wie «Waffen, die einen langsamen Tod durch Ersticken verursachen, sind verwerflich», oder aber die moralische Intuition, dass eine gewisse Handlung verwerflich ist, was wiederum in keiner Weise in der Beschreibung der Handlung «steckt». Moralische Prinzipien und Intuitionen aber können nur Personen haben.
Bild: Anakin hat den Sohn (der die «dunkle Seite» der Macht repräsentiert) und die Tochter (die die «helle Seite» repräsentiert) auf Mortis unterjocht. Screenshot aus Episode 15 der dritten Staffel von Clone Wars.